Diese Inhaltsstoffe machen den Ingwer so stark

Als Heil- und Gewürzpflanze wird Ingwer seit Jahrhunderten geschätzt und verwendet. Während die Liste potenzieller Wirkungen in der chinesischen Medizin sehr lang ist, setzt ihn die westliche Medizin vor allem bei Übelkeit- und Magenbeschwerden ein. Verantwortlich für die positiven Eigenschaften des Ingwers sind in erster Linie zwei Inhaltsstoffe: Die Gingerole und Shogaole.

Inhaltsverzeichnis

  • Wo speichert der Ingwer seine Inhaltsstoffe?
  • Welche Inhaltsstoffe findet man in der Ingwerknolle?
  • Ätherische Öle erzeugen den typischen Ingwer Geruch
  • Scharfstoffe prägen den Geschmack
  • „Shoga“ ist japanisch und bedeutet Ingwer
  • Lange Tradition als Heilpflanze
  • Ingwer Inhaltsstoffe unter dem Mikroskop der Wissenschaft
  • Überzeugend bei Magen-Darm-Beschwerden
  • Ingwer in der Küche
  • 6-Gingerol sorgt für frischen Atem
  • Fazit

Wo speichert der Ingwer seine Inhaltsstoffe?

Ingwer-feld-shogaol

Wer vor einer Ingwer Pflanze steht, wird sie auf den ersten Blick vermutlich gar nicht als Ingwer erkennen. Der in der Küche und Heilkunde verwendete Pflanzenteil wächst unterirdisch und liegt gut versteckt unter der Erde. Botaniker sprechen bei der Ingwerknolle von einem Rhizom, einem Vermehrungs- und Speicherorgan mit hoher Nähr- und Wirkstoffdichte.

Welche Inhaltsstoffe findet man in der Ingwerknolle?

Ingwerknollen zeichnen sich durch einen hohen Wassergehalt von 81 Prozent und einem Kohlenhydratanteil von 11 Prozent aus. Der Lipidgehalt liegt im Rhizom bei 5,8 bis 11 Prozent. Zu den wesentlichen Lipid-Bestandteilen zählen die Palmitinsäure, die Ölsäure, die Linol- und Linolensäure [1, 2, 13, 14]. Zusätzlich enthält Ingwer zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe. Dazu gehören die Gingerole und Shogaole ebenso wie die ätherischen Öle. Bei den Vitaminen und Mineralien stehen vor allem Kalium, Phosphor, Magnesium und Eisen im Vordergrund [3].

gingerol-shogaol

Ätherische Öle erzeugen den typischen Ingwer Geruch

Für den typischen Geruch und das Aroma von frischem Ingwer sind die flüchtigen, ätherischen Öle verantwortlich. Allen voran steht das α-Zingiberen, dessen Anteil zwischen 30 und 70 Prozent liegt [4]. Darüber hinaus gibt es viele weitere, wie die folgende Tabelle zeigt:

ätherische-öle

Scharfstoffe prägen den Geschmack

Die Schärfe des Ingwers entsteht durch die sogenannten Oleoresine oder Scharfstoffe. Dazu gehören die Gingerole und Shogaole sowie deren Abkömmlinge Paradole und Zingeron [4]. Je nach Zustand des Ingwers – frisches Rhizom, getrocknet oder gekocht – bildet ein anderer Scharfstoff den Hauptanteil, wodurch sich in erster Linie die Schärfe, aber auch der Geschmack verändert. Die Scharfstoffe sind es übrigens auch, die für die gesundheitsrelevanten Eigenschaften des Ingwers verantwortlich gemacht werden und von besonderem Interesse für die Forschung sind. So weiß man heute, dass Gingerole und Shogaole eine milde antiemetische Wirkung haben und gegen Übelkeit sowie Erbrechen helfen können. Zudem gibt es Hinweise, dass die Einnahme eines standardisierten Ingwerpräparats Muskel- und Periodenschmerzen sowie Arthrose Beschwerden lindern kann.

Im frischen Rhizom gelten die Gingerole (6-Gingerol, 8-Gingerol und 10-Gingerol) als wichtigste biologisch aktive Bestandteile [4, 5]. Experten sind in der Lage, Frische und Qualität der Ingwerknolle allein vom Gehalt der Gingerole und der damit verbundenen Schärfe abzuleiten [3]. Wird Ingwer gekocht, werden Bindungen in den Gingerolen gespalten. Nun entsteht das mildere Zingeron, das Speisen sein typisch würzig-süßes Aroma verleiht [6].

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 „Shoga“ ist japanisch und bedeutet Ingwer

Shogaole findet man besonders in getrocknetem Ingwer. Sie besitzen eine etwa doppelt so hohe Schärfe wie die Gingerole und gehen durch Wasserabspaltung aus ihnen hervor. Wie bei den Gingerolen gibt es etliche Shogaol Verbindungen (4-, 6-, 8-, 10- und 12-Shogaol), wobei 6-Shogaol den Hauptanteil bildet. Werden die Shogaole hydriert, entstehen die Paradole. Sie ähneln wieder dem Gingerol [2, 4, 13, 14].

Die genaue Zusammensetzung der Inhaltsstoffe unterliegt von Pflanze zu Pflanze natürlichen Schwankungen. Diese kommen durch viele verschiedenen Faktoren zustande. Dazu gehören der Herkunftsort und die vorherrschenden Wachstumsbedingungen, die Reife der Pflanze, der angebaute Genotyp, die Trocknungsmethoden sowie die Extraktionstechnik und -bedingungen. Laut einer Studie des taiwanesischen Ernährungswissenschaftlers Hsiang-yu Yeh liegt der Gesamtgehalt der Gingerole und Shogaole zumindest beim Guangdong- bzw. Chu-Ingwer zwischen 7,4 und 7,5 g pro 100 g getrocknetem Ingwer [7, 8]. Ob dieser jedoch im örtlichen Supermarkt erhältlich ist, ist fraglich. Schätzungen zufolge gibt es um die 150 Ingwer Sorten, welchen man nun beim Einkauf begegnet, lässt sich oft nur durch Nachfragen herausfinden. Präziser sind die Angaben bei standardisierten Ingwerpräparaten. Hier liegt die optimale Tagesdosis bei Präparaten mit rund 50 mg Gingerole und Shogaole.

Wussten Sie eigentlich…?

Dass Ingwer ursprünglich aus Indien stammt und inzwischen in gesamt Südostasien, den tropischen Regionen Afrikas, in Lateinamerika, der Karibik und Australien angebaut wird. 2018 wurde Ingwer – oder Zingiber officinale, wie sein lateinischer Name lautet – vom Verein NHV Theophrastus zur Heilpflanze des Jahres gekürt.

Lange Tradition als Heilpflanze

Ingwer wird in Asien seit Jahrtausenden als traditionelle Heilpflanze verwendet. Das Anwendungsgebiet ist groß und reicht von Übelkeit und Magenschmerzen, über Atembeschwerden bis hin zu Rheuma. Auch aus Europa ist der Einsatz überliefert. So weiß man, dass Hildegard von Bingen und Paracelsus im Mittelalter zu Ingwer griffen, wenn Menschen über Magen-Darm-Beschwerden klagten.Noch heute gilt Ingwer als gutes Hausmittel bei Übelkeit und Erbrechen. Er wird zur Anregung der Magensaftproduktion und der gastrointestinalen Peristaltik verwendet. Darüber hinaus deuten Studien daraufhin, dass Gingerole und Shogaole eine immunmodulatorische, , entzündungshemmende, apoptotische, antihyperglykämische, antioxidative und lipidsenkende Wirkungen haben könnten [7, 9]. 

Ingwer Inhaltsstoffe unter dem Mikroskop der Wissenschaft

Für Wissenschaftler ist der traditionelle Einsatz von Heilpflanzen von besonderem Interesse. Welche Wirkung lässt sich bestätigen, wo können pflanzliche Inhaltsstoffe gezielt eingesetzt werden? Bis es auf diese Fragen stichhaltige Antworten gibt, ist der Weg jedoch weit.Die wissenschaftliche Überprüfung einer angenommenen pharmakologischen Wirkung von einzelnen Inhaltsstoffen des Ingwers ist aufwändig. Sie erfordert große, unabhängige Studien mit vielen Probanden. Tierversuche oder Studien mit Zellkulturen können zwar Hinweise geben, lassen sich aber niemals eins zu eins auf den Menschen übertragen. Zudem muss nicht nur die Wirkung, sondern auch die für die Wirkung verantwortliche Substanz nachgewiesen werden. Gerade bei Pflanzen mit einer Vielzahl an Inhaltsstoffen ist das eine Herausforderung.Und so ist es nicht verwunderlich, dass es bis heute zwar etliche Hinweise darauf gibt, dass Ingwer einen Nutzen bei verschiedenen Erkrankungen und Beschwerden haben könnte, die wissenschaftlichen Beweise fehlen jedoch in den meisten Fällen noch. 

Überzeugend bei Magen-Darm-Beschwerden

magenbeschwerden

Als gesichert gilt, dass Ingwer eine sogenannte milde Wirkung gegen Übelkeit und Erbrechen verschiedener Ursachen besitzt. Die Kommission E, die selbstständige, wissenschaftliche Sachverständigenkommission für pflanzliche Arzneimittel am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, führt als Indikationsgebiete des Ingwerwurzelstocks dyspeptische Beschwerden, also Beschwerden im Oberbauch, und die Verhütung der Symptome der Reisekrankheit an. Für die Anwendung von Ingwer zur Vorbeugung der Reisekrankheit spricht sich auch das Herbal Medicinal Product Committee (HMPC) aus.

Bei Schwangerschaftsübelkeit hingegen wird zur Vorsicht geraten. Aufgrund der kurzen Studienlängen seien keine Langzeiteffekte abzuleiten, so das häufige Fazit von Experten. Betroffene Frauen sollten sich vor der Selbstmedikation mit ihrem Frauenarzt besprechen [4, 7, 10, 11].

Ingwer in der Küche

ingwer-küche

Neben seiner medizinischen Bedeutung ist Ingwer natürlich auch ein Nahrungsmittel, das aufgrund seiner geschmacklichen Inhaltsstoffe eine vielfältige Nutzung als Küchengewürz erfährt. Sei es in Backwaren wie Lebkuchen und Printen, in Suppen und Fleischgerichten oder in Gewürzmischungen.

Frischer Ingwer kann gerieben oder fein gehackt, sowohl roh als auch gekocht verzehrt werden. Als Tee aufgebrüht ist er besonders im Winter beliebt, da er ein starkes Wärmegefühl vermitteln kann.

Tipp: Ingwertee selbst zubereiten

Ingwertee lässt sich schnell und einfach in der Küche zubereiten. Für eine Tasse Tee benötigt man ein etwa walnussgroßes Stück Ingwer, das in dünne Scheiben oder kleine Stückchen geschnitten wird. Auch das Reiben des Ingwers ist möglich. Grundsätzlich gilt, je feiner der Ingwer zubereitet wird, umso mehr Inhaltsstoffe können in den Tee übergehen. Anschließend wird der Ingwer nur noch mit heißem Wasser übergossen und für zehn Minuten ziehen gelassen.

ingwertee

 6-Gingerol sorgt für frischen Atem

Wer frischen Ingwer verzehrt, kann sich über einen angenehmen Nebeneffekt freuen. Denn frischer Ingwer, mit einem hohen 6-Gingerol-Gehalt, sorgt für einen frischeren Atem und einen besseren Nachgeschmack. Das konnte ein Team um Prof. Thomas Hofmann vom Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und Molekulare Sensorik vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München in einer kleinen Studie feststellen.

Bei ihren Probanden (vier Frauen, vier Männer) stimulierte der frische Ingwer innerhalb weniger Sekunden den Gehalt des Speichelenzyms Sulfhydryl-Oxidase1 um das 16-fache. Das Enzym ist für den Abbau von übelriechenden schwefelhaltigen Verbindungen zuständig [12].

 

Fazit

Ingwer hat eine lange Tradition als Heilpflanze in der Selbstmedikation. Das liegt in erster Linie an den in der Ingwerknolle enthaltenen Scharfstoffen, den Gingerolen und Shogaolen. Ihre Wirkung konnte in zahlreichen Studien an Zellkulturen und Tieren nachgewiesen werden, allerdings fehlen bisher umfangreiche Untersuchungen mit menschlichen Probanden. Als belegt gilt heute ein positiver Nutzen bei Magen-Darm-Beschwerden. So nennt die Kommission E dyspeptische Beschwerden und Verhütung der Symptome der Reisekrankheit als Indikationsgebiete der Ingwerknolle. Ähnlich sieht das auch das Herbal Medicinal Product Committee (HMPC), das die Anwendung von Ingwer vorbeugend bei der Reisekrankheit mit Übelkeit und Erbrechen akzeptiert hat.

 Quellen

[1] ESCOP. European Scientific Cooperative on Phytotherapy. (2009). ESCOP monographs. Supplement 2009. Second edition. Thieme, Stuttgart: S. 289-290.

[2] Hänsel, R., Sticher, O. (2010). Pharmakognosie - Phytopharmazie. 9. Auflage. Springer Medizin Verlag Heidelberg
[3] Siedentopp, U. (2008): Heilpflanze Ingwer – wirksam als Arznei, Gewürz und Tee. Deutsche Zeitschrift für Akupunktur, 51,1.
[4] Shukla Y., Singh M. (2007): Cancer preventive properties of ginger: A brief review. Food and Chemical Toxicology, 45(5): 683-690.
[5] Wohlmuth H., Smith M. K., Brooks L. O., Myers S. P., Leach D. N. (2006): Essential oil composition of diploid and tetraploid clones of ginger (Zingiber officinale Roscoe) grown in Australia. Journal of Agricultural and Food Chemistry, 54(4): 1414-1419.

[6] Internetchemie.info https://www.internetchemie.info/chemie-lexikon/stoffgruppen/g/gingerole.php
[7] Dogan, H., (2019): Ingwer und sein ätherisches Öl. Diplomarbeit, Universität Wien, Fakultät für Lebenswissenschaften. https://othes.univie.ac.at/58572/ 
[8] Yeh, H., Chuang, C., Chen, H., Wan, C., Chen, T., Lin, L., 2014: Bioactive components analysis of two various gingers (Zingiber officinale Roscoe) and antioxidant effect of ginger extracts.  LWT-Food Science and Technology 55(1), 329-334.
[9] Smollich, M., (2015): Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft: Ingwer – eine wirksame Alternative?, Die Hebamme, 28, 6-7. https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/html/10.1055/s-0034-1384309 abgerufen am 20.10.21
[10] European Medicines Agency (EMA). Committee on Herbal Medicinal Products. Assessment report on Zingiber officinale Roscoe, rhizoma. (2012)12.
[11] https://arzneipflanzenlexikon.info/ingwer.php
[12] Chemosensate-Induced Modulation of the Salivary Proteome and Metabolome Alters the Sensory Perception of Salt Taste and Odor-Active Thiols. Bader M, Stolle T, Jennerwein M, Hauck J, Sahin B, Hofmann T. J Agric Food Chem. 2018 Jul 13. https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.8b02772 Abgerufen am 20.10.21
[13] Veitch, N.C., Baxter, I.A. (2013). Herbal medicines. 4. Auflage. Pharmaceutical Press, London, Grayslake: S. 344-346.
[14] Wichtl, M. (2009). Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage. 5. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart: S. 717-720.