Sind Sauerkirschen eine gute Antioxidantienquelle?
Was sind Antioxidantien?
Antioxidantien spielen eine entscheidende Rolle beim Schutz der Zellen vor oxidativen Schäden. Der Begriff „Antioxidant“ bedeutet wörtlich „gegen Oxidation“. Antioxidantien blockieren den Oxidationsprozess, indem sie freie Radikale neutralisieren. Sie können Elektronen an freie Radikale abgeben und so deren zerstörerische Kettenreaktionen unterbrechen. Obwohl sie nach der Abgabe von Elektronen selbst zu Radikalen werden, sind sie stabil genug, um keine weiteren Schäden zu verursachen.
Der menschliche Körper verfügt über ein komplexes System zur antioxidativen Verteidigung, das sowohl endogene Antioxidantien produziert als auch die Fähigkeit hat, antioxidative Verbindungen aus der Nahrung zu extrahieren. Diese Verbindungen sind in einer Vielzahl von Lebensmitteln enthalten, darunter Obst, Gemüse, Samen, Nüsse und Öle. Zu den bekanntesten Antioxidantien gehören Vitamin E, Vitamin C, Beta-Carotin, Polyphenole sowie Spurenelemente wie Selen.
Neben natürlichen Antioxidantien gibt es auch synthetische. Diese werden häufig in Lebensmitteln eingesetzt, um die Haltbarkeit zu verlängern und Bräunungsprozesse zu vermeiden. Die am häufigsten verwendeten synthetischen Antioxidationsmittel sind Butylhydroxytoluol (BHT) und Butylhydroxyanisol (BHA). In zu hohen Mengen können jedoch synthetische Antioxidantien potenziell schädliche Wirkungen haben (1).
Was sind Oxidantien?
Die häufigsten Oxidantien im menschlichen Körper sind sogenannte freie Radikale.
Dabei handelt es sich um Atome, Moleküle oder Ionen, die aufgrund ungepaarter Elektronen instabil und reaktiv gegenüber chemischen Reaktionen sind. Ein ungepaartes Elektron in freien Radikalen führt dazu, dass sie Elektronen von anderen Substanzen aufnehmen, um sich zu stabilisieren. Bei diesem Prozess entsteht jedoch ein weiteres freies Radikal, was in einer Kettenreaktion resultiert. Freie Radikale können aus Sauerstoff-, Stickstoff- und Schwefelmolekülen entstehen. Diese Moleküle gehören zu einer Gruppe von Verbindungen, die als reaktive Sauerstoffspezies (ROS) bezeichnet werden (1).
Übermäßige Mengen an ROS können oxidativen Stress verursachen, der Zellen schädigen kann. Dabei greifen ROS Nukleinsäuren, Proteine und Fettsäuren an. Unter normalen Bedingungen kann der Körper durch Enzyme den ROS-Spiegel auf einem niedrigen Niveau halten, um das zelluläre Gleichgewicht zu bewahren. Bei Stressbedingungen oder Störungen der Zellfunktion hingegen steigt der ROS-Spiegel an, was zu erheblichen Schäden führen kann. Bleibt der oxidative Stress bestehen, kann er verschiedene Beschwerden und Erkrankungen verursachen. Zu den Faktoren, die oxidativen Stress begünstigen, gehören eine schlechte Ernährung und Rauchen (1, 2).
Was sind Polyphenole?
Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe, die natürlicherweise in Obst, Gemüse und Getreide vorkommen. Sie werden in komplexe Gruppen mit über 10.000 Substanzen unterteilt, abhängig von der Anzahl ihrer Ringstrukturen und Hydroxylgruppen. Pflanzen bilden Polyphenole, um sich vor schädlichen Faktoren wie freien Radikalen, UV-Strahlung und Schädlingen zu schützen.
Früher wurden Polyphenole als unbedeutend für die Gesundheit betrachtet. Jedoch hat in den letzten Jahren das Interesse an der Untersuchung phenolischer Verbindungen zugenommen, da sie mit antioxidativen Eigenschaften in Verbindung gebracht wurden (3).
Die Klassifizierung von Polyphenolen erfolgt in vier große Gruppen: Flavonoide, Stilbene, phenolische Säuren und Lignane, die die Grundlage für die weitere Unterteilung von Polyphenolen bilden. Flavonoide stellen die am häufigsten untersuchte Gruppe dar und lassen sich in verschiedene Untergruppen einteilen: Flavan-3-ole, Flavonole, Isoflavone, Flavanone und Anthocyane (4).
Abb. 1: Klassifizierung der Polyphenole (4)
Was für Antioxidantien sind in Sauerkirschen enthalten?
Sauerkirschen sind besonders reich an Antioxidantien. Vor allem ist eine große Menge an Anthocyanen in Sauerkirschen enthalten. Diese Polyphenolgruppe ist für die rot-blaue Färbung vieler Früchte und Gemüsesorten verantwortlich. Bis heute wurden mehr als 700 verschiedene Anthocyanstrukturen in Pflanzen identifiziert (5).
In Sauerkirschen sind folgende Polyphenole enthalten: Anthocyane wie Cyanidin-3-Glucosid, Cyanidin-3-Rutinosid, Cyanidin-3-Sophorosid, Pelargonidin-3-Glucosid, Pelargonidin-3-Rutinosid sowie 3-Glucosid, Peonidin-3-Rutinosid. Zu den phenolischen Säuren gehören Hydroxyzimtsäuren wie Neochlorogensäure und p-Cumaroylchinasäure sowie Flavonole und Flavan-3-ole wie Catechin, Epicatechin, Quercetin-3-Glucosid, Quercetin-3-Rutinosid und Kaempferol-3-Rutinosid.
Neben Polyphenolen enthalten Sauerkirschen zahlreiche Vitamine, die ebenfalls für ihre antioxidative Wirkung bekannt sind. Dazu gehören Vitamin C, Vitamin E und Beta-Carotin (6).
Eine Besonderheit der Sauerkirschen liegt darin, dass sie wie kaum eine andere Obstsorte das Antioxidans Melatonin enthalten. Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert und auch in Pflanzen nachgewiesen wurde. Dort fungiert Melatonin als Radikalfänger und ist am sogenannten Photoperiodismus beteiligt. Dieser Begriff beschreibt, die Abhängigkeit des pflanzlichen Stoffwechsels von der Dauer der Sonneneinstrahlung. Der Verzehr von Sauerkirschen kann dadurch den körpereigenen Melatoninspiegel erhöhen und dessen hormonelle Funktionen unterstützen (7).
Sind Sauerkirschen eine gute Antioxidantienquelle?
Blando et al. maßen die antioxidative Kapazität von Sauerkirschen mithilfe des Testverfahrens ORAC, das für "Oxygen Radical Absorbance Capacity" steht. Mit diesem Test wird bewertet, wie gut ROS neutralisiert werden können. Die Werte werden als Trolox-Äquivalente in Mikromol pro 100 g frischer Frucht angegeben. Sauerkirschen haben einen Wert von 1145 bis 2592 µmol TE/100 g, was auf eine hohe antioxidative Kapazität hinweist. Diese Werte sind beispielsweise vergleichbar mit denen von Erdbeeren, jedoch deutlich höher als die Werte in Äpfeln oder Kiwis (8).
Studien haben außerdem gezeigt, dass bestimmte Polyphenole, insbesondere Anthocyane und Hydroxyzimtsäuren, in Sauerkirschen eine stärkere antioxidative Aktivität aufweisen als vergleichbare Verbindungen in anderen Früchten. Im Vergleich zu Beeren wie Brombeeren, Himbeeren, Heidelbeeren und Erdbeeren zeigen die in Sauerkirschen enthaltenen Polyphenole eine signifikant stärkere antioxidative Wirkung.
Zudem ist zu erwähnen, dass Sauerkirschen aufgrund ihres säuerlichen Geschmacks im Vergleich zu Süßkirschen meist verarbeitet verzehrt werden. Sie sind beispielsweise in Form von Pulver, Saft oder Saftkonzentrat, eingekocht im Glas oder eingefroren erhältlich. Dies bietet den Vorteil, dass Sauerkirschen nicht nur saisonal, sondern auch ganzjährig konsumiert werden können. Auch nach der Verarbeitung der Früchte bleiben die meisten Anthocyane erhalten. In Produkten, in denen Zucker hinzugefügt wurde, sind jedoch geringere Mengen an Polyphenolen enthalten (6).
Zu den Produkten, die die meisten Nährstoffe enthalten, zählen Sauerkirsch-Saftkonzentrate und -Kapseln. Gerade die Saftkonzentrate sind der ursprünglichen Form der Frucht am nächsten und enthalten den Großteil des ursprünglichen Spektrums an sekundären Pflanzenstoffen. Dies konnte in einer Studie nachgewiesen werden, die verschiedene Sauerkirschprodukte verglich. So war die höchste Menge an Antioxidantien im Sauerkirschsaft enthalten, im Vergleich zu gefrorenen, konservierten und getrockneten Sauerkirschen (9).
Welche Sauerkirschsorte hat die meisten Antioxidantien?
Heute sind 74 Sorten von Sauerkirschen bekannt, deren Gehalt an Polyphenolen je nach Sorte variiert. Besonders hervorzuheben ist die Montmorency-Sauerkirsche, die mit 4,07 mg Polyphenolen pro Gramm die höchste Konzentration aufweist. Weitere Sorten mit hohem Polyphenolgehalt sind Royal Ann 2,29 mg/g, Bing 1,85 mg/g und Rainier 0,75 mg/g (10).
Der Gehalt an Gesamtpolyphenolen variiert zudem je nach Reifegrad der Frucht. Je reifer die Sauerkirschen sind, desto roter werden sie, und entsprechend steigt auch die Menge an Polyphenolen. Sauerkirschen mit dem höchsten Anthocyangehalt sind reifer und haben eine tiefere rote Farbe als junge Früchte mit einer helleren roten Farbe (11).
Darüber hinaus hat die Montmorency-Sauerkirsche nicht nur den höchsten Gehalt an Polyphenolen, sondern auch den höchsten Gehalt an Melatonin. Mit 13,46 ng Melatonin pro Gramm enthält sie deutlich mehr Melatonin als die meisten anderen Sauerkirsch- und Obstsorten. Die Sauerkirsche mit den nächsthöheren Werten an Melatonin ist die Balaton-Sauerkirsche mit gerade einmal 2,06 ng/g (7). Das macht Montmorency-Sauerkirschen zu einem besonders wertvollen Lieferanten von Antioxidantien.
Das Wichtigste in Kürze
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Antioxidantien sind Verbindungen, die Zellen vor oxidativem Stress schützen und somit zur Erhaltung der Gesundheit beitragen
- Zu den häufigsten natürlichen Antioxidantien gehören Vitamine und Polyphenole
- Sauerkirschen sind Früchte mit einer besonders hohen Menge an Antioxidantien
- Die Montmorency-Sauerkirsche ist besonders wertvoll, da sie den höchsten Gehalt an Polyphenolen und Melatonin enthält
Literatur
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