Verlieren Obst und Gemüse beim Kochen ihre Nährstoffe? – Aufklärung über einen Mythos

Verlieren Obst und Gemüse beim Kochen ihre Nährstoffe? – Aufklärung über einen Mythos

Obst und Gemüse sind gesund und sollten Teil einer ausgewogenen Ernährung sein. Das ist den meisten Menschen bewusst. Doch ist es auch wichtig, wie wir unser Gemüse verzehren? Ist Rohkost wirklich immer die gesündere Wahl? Und verlieren Obst und Gemüse wirklich ihren gesundheitlichen Nutzen, wenn man sie “tot-kocht”?

Was passiert mit Nährstoffen beim Kochen von Obst und Gemüse?

Obst und Gemüse enthalten zahlreiche Inhaltsstoffe, die für ihren gesundheitlichen Nutzen verantwortlich sind. Dazu gehören Vitamine, Mineralien, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Um zu beurteilen, wie sich der gesundheitliche Nutzen eines Lebensmittels beim Kochen verändert, muss man zunächst einmal verstehen, inwiefern sich diese Inhaltsstoffe verändern lassen und wie sie überhaupt verloren gehen können.

Mineralien zum Beispiel sind im Kontext der Ernährung elementare Verbindungen, die wir über die Nahrung aufnehmen müssen. Elementar bedeutet hierbei, dass es sich um einen Reinstoff handelt, der chemisch nicht mehr in andere Stoffe zerlegt werden kann (1). Mineralien können also beim Kochen nicht kaputt gehen. Sie können jedoch aus der Nahrung zum Beispiel ins Kochwasser übergehen (2).

Anders sieht es bei Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen aus: Hierbei handelt es sich um komplexere Moleküle, die unter Hitzeeinfluss durchaus zerfallen können (1). Sie können also nicht nur aus dem Gemüse verloren gehen, sondern auch in potentiell inaktive Bestandteile zerfallen, was ihren gesundheitlichen Nutzen dann natürlich mindert.

Als letztes bleiben dann noch die sogenannten Makronährstoffe, also Kohlenhydrate (und Ballaststoffe), Fette und Proteine. Diese Bestandteile der Nahrung liefern uns Energie. Ihnen ist gemeinsam, dass es sich meist um größere Moleküle handelt, die vom Körper in kleine Bausteine wie Glucose, Amino- und Fettsäuren zerlegt werden. Diese werden dann erst zur eigentlichen Energiegewinnung genutzt (1).

Dieser Prozess kann in gewissem Maße auch beim Kochen stattfinden: So können große Stärke-Moleküle unter Hitzeeinfluss zu Zucker-Molekülen zerkleinert werden (3). Allerdings zerfallen diese kleinsten Bausteine beim Kochen nicht noch weiter, weswegen sich am Gesamt-Energiegehalt der Nahrung dadurch nichts ändert: So kann Zucker unter Hitzeeinfluss zwar zu flüssigem Karamell werden. Insofern er jedoch nicht komplett verbrannt wird, bleibt die Menge an Gucose-Molekülen darin gleich.

Eine spezielle Rolle nehmen in diesem Kontext Ballaststoffe ein: Dabei handelt es sich um Kohlenhydratmoleküle, die wir gar nicht, oder zumindest unvollständig verdauen. Dadurch ziehen wir aus diesen Kohlenhydraten weniger Energie, sie haben jedoch zum Beispiel eine positive Wirkung auf die Darmgesundheit. Durch Kochen können einige unverdauliche Kohlenhydratverbindungen zu verdaulicher Stärke umgewandelt werden. Aus diesem Grund isst man zum Beispiel Kartoffeln nur gekocht (4). Umgekehrt können Stärke-Moleküle sich aber auch beim Abkühlen wieder zu sogenannter resistenter Stärke zusammenlagern, die man dann wieder zu den Ballaststoffen zählt (4,5).

Man kann also festhalten, dass ein Verlust von Nährstoffen ins Kochwasser ein Problem darstellen kann. Hiervon sind sowohl Mineralien, als auch Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe betroffen. Außerdem können unter Hitzeeinfluss größere Moleküle wie Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe zerfallen. Die eigentliche Zusammensetzung von Obst und Gemüse aus Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen und Ballaststoffen wird hingegen durch das Garen nur verhältnismäßig wenig beeinflusst. Zwar können diese Bestandteile verändert werden. Da sie jedoch kaum gänzlich “zerstört” werden, sondern lediglich in kleinere Bestandteile zerlegt, die der Körper auch selber aus ihnen herstellen würde, ist die Relevanz für den gesundhetlichen Nutzen eher vernachlässigbar.

Wie viel Nährstoffe gehen beim Kochen verloren?

Es ist schwierig, einheitlich zu sagen, wie viele Nährstoffe beim Kochen verloren gehen. Es hängt vom Lebensmittel, der Kochmethode und dem jeweiligen Nährstoff ab. Man kann jedoch einige allgemeine Annahmen treffen und Beispiele nennen:

So lassen sich Vitamine in wasser- und fettlösliche Vitamine einteilen (1), die unterschiedlich leicht ins Kochwasser verloren gehen: Während die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K kaum ins Wasser übergehen werden, kann das bei Vitamin C und B-Vitaminen durchaus passieren. Gleiches gilt für sekundäre Pflanzenstoffe, von denen ebenfalls viele wasserlöslich sind. So können durch langes Kochen zum Beispiel bis zu 60% des Vitamin-C-Gehaltes verloren gehen (9). Beim B-Vitamin Folat wurden sogar Verluste von bis zu 95% beoachtet, wobei Folat unter Hitzeeinfluss abgebaut wird (10).

Bei Mineralien kann es eine Rolle spielen, wie sie in der Nahrung eingebunden sind: Eisen zum Beispiel, dass in rotem Fleisch in dem Protein Häm komplexiert ist, lässt sich daraus deutlich schwerer lösen als andere Mineralstoffe. Liegt das Mineral jedoch nicht in einem Protein gebunden vor, ist die Chance höher, dass es beim Kochen “ausgewaschen” wird (6).

Bezogen auf die Garmethode ist es vor allem wichtig, ob das Lebensmittel in Wasser gegart wird und welche Hitze für wie lange darauf einwirkt. Vereinfacht ausgedrückt: Langes Kochen in Wasser wird zu einem hohen Nährstoffverlust durch Abgabe ins Kochwasser führen. Langes Braten bei hoher Hitze kann zu einem Zerfall von Vitaminen und Pflanzenstoffen beitragen.

Welche Kochmethoden erhalten die meisten Nährstoffe?

Wenn hohe Temperaturen, lange Garzeit und Wasserkontakt den Nährstoffgehalt reduzieren, ergeben sich daraus auch die schonendsten Garmethoden: Dampfgaren und das Garen in der Mikrowelle minimieren die genannten Faktoren zum Beispiel. Aber auch kurzes Blanchieren und Anbraten sind problemlos möglich, wenn man es nicht zu lange macht (7,8).

Es kann auch hilfreich sein, Gemüse und Obst in Wasser zu garen, dass danach mitverzehrt wird: So wird Gemüse in Suppen, Eintöpfen und sogar vielen Aufläufen im Grunde auch gekocht. Indem jedoch das Kochwasser zum Teil des Gerichts wird, werden die Nährstoffe, die ins Wasser verloren gehen, trotzdem mitgegessen (2). Lediglich Hitze-instabile Verbindungen gehen dabei trotzdem verloren.

Frisches Gemüse wird in einer Pfanne zubereitet.

Warum können manche Nährstoffe durch Kochen besser verfügbar werden?

Nur weil ein Nährstoff in einem Lebensmittel enthalten ist, muss das nicht heißen, dass dieser Nährstoff auch bis in den Körper gelangt. Im Rahmen der Verdauung muss die Nahrung zunächst mechanisch und dann chemisch zerkleinert werden. Erst dann können einzelne Bestandteile über die Darmschleimhaut ins Blut aufgenommen werden.

Gerade Gemüse und Obst haben jedoch eine relativ feste, oft faserige Struktur. Diese Fasern bestehen aus Ballaststoffe, machen also einen Teil des gesundheitlichen Nutzens aus. Sie erschweren es jedoch auch dem Körper, die Nahrung zu zerkleinern und Nährstoffe aus ihr heraushzuholen. Dadurch kann es passieren, dass rohes Gemüse zum Beispiel zwar viele Nährstoffe enthält, diese jedoch einfach ungenutzt ausgeschieden werden.

Vor allem bei Tomaten, aber auch Carotinoid-reichem Gemüse wie Möhren und Kürbis konnte man hier große Unterschiede abhängig vom Garzustand beobachten: Bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe konnten dabei aus dem gekochten Gemüse deutlich besser aufgenommen werden, als aus der rohe Variante (11,12).

Warum ist es wichtig, sich nicht nur auf rohe Kost zu konzentrieren?

Obwohl Gemüse und Obst im rohen Zustand zweifellos den höchsten Nährstoffgehalt aufweisen, ist es nicht ratsam, ausschließlich auf Rohkost zu setzen. So gibt es einige Gemüse-Sorten, die überhaupt erst im gekochten Zustand gegessen werden sollten, da durch das Kochen schädliche Substanzen abgebaut werden. Beispiele hierfür sind Kartoffeln und Auberginen. Doch auch viele Gemüsesorten, die prinzipiell roh gegessen werden könnten, werden von vielen Menschen einfach besser vertragen, wenn man sie gart. Typische Beispiele hierfür sind Zwiebeln und Kohlgemüse. Die Gründe für diese individuell schwere Verdaulichkeit können variieren. Fakt ist jedoch, dass viele Menschen davon profitieren, wenn gerade Gemüse durch die Hitzebehandlung beim Kochen etwas “vorverdaut” wird.

Bei einigen Gemüsesorten ist es außerdem möglich, durch das Kochen den Gehalt potentiell schädlicher Substanzen zu reduzieren. So können Spinat und rote Beete zwar ohne Probleme roh gegessen werden. Sie enthalten in diesem Zustand jedoch große Mengen Oxalsäure, die das Risiko für Nierensteine erhöht. Indem man diese Gemüsesorten jedoch kocht, geht ein Großteil der Oxalsäure ins Kochwasser verloren. Ganz ähnlich also wie bei den zuvor genannten, wertvollen Inhaltsstoffe. Dabei sind rote Beete und Spinat so nährstoffreich, dass ein geringer Verlust von Nährstoffen bei zugleich deutlichem Verlust von Oxalsäure wahrscheinlich ein guter Tausch ist (13).

Wie kann man eine ausgewogene Ernährung mit rohem und gekochtem Gemüse sicherstellen?

Wenn man sich vor Augen führt, dass rohes und gegartes Obst und Gemüse jeweils individuelle Vor- und Nachteile haben, sollte klar werden, dass dies den Einbau in den täglichen Speiseplan eigentlich vereinfacht: Im Grunde muss man sich nur fragen, welche Lebensmittel man eher gegart und welche eher roh mag. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Auberginen und Kartoffeln, kann man bei den meisten Obst- und Gemüsesorten völlig frei entscheiden, wie man diese zu sich nehmen möchte. Im Idealfall beurteilt man für sich, welche Lebensmittel einem in welcher Form am besten schmecken. Dann fragt man sich, ob man diese Lebensmittel mit der jeweiligen Zubereitungsart gut verträgt und schafft sich so sein eigenes Portfolio gesunder Lebensmittel, aus dem man flexibel und ohne Sorgen jeden Tag wählen kann.

Fazit

Es gibt wenig Grund für Dogmatismus, wenn es um die Frage geht, ob man Gemüse und Obst roh oder gekocht essen soll. Beides hat Vor- und Nachteile: Rohkost enthält die meisten Nährstoffe, sie werden jedoch teilweise schwerer aufgenommen und gerade Gemüse ist in roher Form für viele Menschen schwer verdaulich. Auch kann das Kochen den Gehalt einiger schädlicher Substanzen reduzieren. Am Ende scheint es das sinnvollste zu sein, Rohkost und verschiedene Arten von gegartem Gemüse zu kombinieren. Selbst länger gekochtes Gemüse ist immer noch reich an Ballaststoffe und isst man es als Suppe, oder Eintopf, ist der Nährstoffverlust selbst nach längerem Kochen moderat. Dazu hin und wieder ein frischer Salat und man muss sich eigentlich überhaupt keine Gedanken machen.

Quellen

  1. Jeremy M. Berg , John L. Tymoczko , Gregory J. Gatto jr. , Lubert Stryer. Stryer Biochemie. 8. Auflage, 2018. Springer Spektrum. ISBNs: 978-3-66-254620-8, 978-3-66-254619-2. DOI: 10.1007/978-3-662-54620-8
  2. Kimura, M., & Itokawa, Y. (1990). Cooking losses of minerals in foods and its nutritional significance. Journal of nutritional science and vitaminology, 36 Suppl 1, S25–S33.
  3. Wei, S., Lu, G., & Cao, H. (2017). Effects of cooking methods on starch and sugar composition of sweetpotato storage roots. PloS one, 12(8), e0182604. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0182604
  4. Patterson, M. A., Maiya, M., & Stewart, M. L. (2020). Resistant Starch Content in Foods Commonly Consumed in the United States: A Narrative Review. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics, 120(2), 230–244. https://doi.org/10.1016/j.jand.2019.10.019
  5. Sonia, S., Witjaksono, F., & Ridwan, R. (2015). Effect of cooling of cooked white rice on resistant starch content and glycemic response. Asia Pacific journal of clinical nutrition, 24(4), 620–625. https://doi.org/10.6133/apjcn.2015.24.4.13
  6. Chen, H., Zhang, X., Zhao, G. (2017). Effect of Food Processing on the Mineral-Containing Proteins. In: Zhao, G. (eds) Mineral Containing Proteins . Springer, Singapore. https://doi.org/10.1007/978-981-10-3596-8_6
  7. Lee, S., Choi, Y., Jeong, H. S., Lee, J., & Sung, J. (2017). Effect of different cooking methods on the content of vitamins and true retention in selected vegetables. Food science and biotechnology, 27(2), 333–342. https://doi.org/10.1007/s10068-017-0281-1
  8. Razzak, A., Mahjabin, T., Khan, M. R. M., Hossain, M., Sadia, U., & Zzaman, W. (2023). Effect of cooking methods on the nutritional quality of selected vegetables at Sylhet City. Heliyon, 9(11), e21709. https://doi.org/10.1016/j.heliyon.2023.e21709
  9. Nursal, B., & Yücecan, S. (2000). Vitamin C losses in some frozen vegetables due to various cooking methods. Die Nahrung, 44(6), 451–453. https://doi.org/10.1002/1521-3803(20001201)44:6<451::AID-FOOD451>3.0.CO;2-5
  10. Delchier, N., Herbig, A. L., Rychlik, M., & Renard, C. M. G. C. (2016). Folates in Fruits and Vegetables: Contents, Processing, and Stability. Comprehensive reviews in food science and food safety, 15(3), 506–528. https://doi.org/10.1111/1541-4337.12193
  11. Ghavami, A., Coward, W. A., & Bluck, L. J. (2012). The effect of food preparation on the bioavailability of carotenoids from carrots using intrinsic labelling. The British journal of nutrition, 107(9), 1350–1366. https://doi.org/10.1017/S000711451100451X
  12. Perdomo, F., Cabrera Fránquiz, F., Cabrera, J., & Serra-Majem, L. (2012). Influencia del procedimiento culinario sobre la biodisponibilidad del licopeno en el tomate [Influence of cooking procedure on the bioavailability of lycopene in tomatoes]. Nutricion hospitalaria, 27(5), 1542–1546. https://doi.org/10.3305/nh.2012.27.5.5908
  13. Chai, W., & Liebman, M. (2005). Effect of different cooking methods on vegetable oxalate content. Journal of agricultural and food chemistry, 53(8), 3027–3030. https://doi.org/10.1021/jf048128d